Der Roman

Heliopolis ist ein südländischer Stadtstaat in ferner Zukunft. Nach einer Ära des Krieges, in der Feuerstürme über die Menschheit hinwegfegten, gelang es dem Regenten, einen Weltstaat zu errichten. Trotz weiser und gütiger Regierung schwelte dort die Rebellion. Schließlich ließ der Regent, seiner Widersacher überdrüssig, die Herrschaft ruhen und brach mit Getreuen ins All auf, wo seine Macht ins Unermessliche wuchs. Seither beobachtet er die Menschheit und scheint an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen, allerdings ohne Einmischung. In Heliopolis kontrolliert der Regent den Raketenhafen; dort treffen zuweilen seine Gesandten ein.


Die Stadt ist zwiegespalten. Den Westen beherrscht der Prokonsul mit seinen Leuten: alter Adel, der sich auf überkommenes Recht sowie auf freiwillige Loyalität stützt und der das Militär befehligt. Überall zeigt sich traditionale Bindung: Der prokonsularische Palast integriert antike, mittelalterliche und neuere Stilformen; die Wurzeln der Altstadt reichen ins Mittelalter zurück. Dort liegt in der ärmeren Unterstadt ein alter Handelsbezirk mit Fleeten und das Parsenviertel, wo eine ethnische und religiöse Minderheit in ghettoähnlichen Verhältnissen lebt. Allerdings ist das Parsenviertel zur reicheren Oberstadt hin offen; die Mithrasstraße lässt kulturellen Einfluss erkennen und Wohlstand, der mit den Fremden in die Stadt kam. Der Prokonsul steht dem Regenten nah; davon kündet schon die Straße des Regenten, in parkartiger Anlage zwischen Palast und Binnenhafen verlaufend.


Von dort aus, dem Rondell des Binnenhafens, führt die Allée des Flamboyants durch einen Bezirk traditionsreicher Herrenhäuser bis zum Weißen Kap, wo Schenken und Cafés Ausblick über das Meer gewähren. Nah daran grenzt Vinho del Mar, eine idyllische Insel, die mit ihren Kleingewerben und Parks ein beliebtes Ausflugsziel für kultivierte Städter darstellt. Allerdings wirft der militärisch genutzte Wachtturm im Südosten einen Schatten auf die friedvolle Atmosphäre.


Nördlich der Stadt erhebt sich ein Gebirgszug: der Pagos. Auf Seiten des Prokonsuls liegen an dessen Rand kleinere Bauernhöfe, Weinberge, Vorstadtgärten, Schenken. Unter diesen genießt Wolters’ Etablissement, eine romantische Gastwirtschaft, einen besonderen Ruf. Auch Ortner, Schriftsteller, Gärtner und enger Vertrauter des Prokonsuls, hat hier sein Domizil, und dasjenige des Malers Halder wird gerade eingerichtet. Musisch und naturkundlich interessiert ist der Prokonsul selbst; sein Landsitz beherbergt im Chalet eine umfassende Bibliothek, Naturaliensammlungen und liegt nahe Gewächshäusern, unter denen ein gewaltiges Palmarium im morgenländischen Stil hervorsticht. In einem Klostergebäude ist das Museion untergebracht, wohl eine traditionelle Bildungseinrichtung; davon getrennt errichtet wurde die Neue Akademie einschließlich Kosmischer Warte mit ihrem modern-naturwissenschaftliches Ansehen.


Auch das Militär, die Stütze der prokonsularischen Herrschaft, unterhält Einrichtungen auf dem Pagos. So das Arsenal: oberirdisch ein unauffälliges Verwaltungsgebäude, unterirdisch eine Experimentier- und Lagerstätte von Kriegsgerät einschließlich umfassender wehrkundlicher Sammlung. Und eine Schlucht schlängelt sich, gut bewacht, bis zu einem Felsenkessel; von dort aus lässt sich ein Plateau ersteigen, das einem Übungsgelände, kleineren Militärgebäuden und der Kriegsschule Platz bietet.


Auch gelangt man vom Felsenkessel aus zum Sitz des Bergrats, der unterirdisch den Thesaurus – den Goldschatz der Stadt – beherbergt. Thesaurus und Energeion – die Energiequelle der Stadt und andernorts auf dem Pagos gelegen – bilden zusammen das Schatzamt von Heliopolis.


Schließlich verdient noch die parsische Begräbnisstätte Erwähnung. Auf dem Parsenfriedhof mit seinen überwucherten Grabsteinen liegt eine weiße Kapelle. Von dort aus führt ein Weg durch ein Naturidyll – das Tor der Gärten – den Pagos hinan, bis zu den Türmen des Schweigens. Männern und Frauen ist je ein gleichartiger, Kindern ein kleinerer Rundbau vorbehalten; im Hintergrund ragt die rechteckige Grabstatt der Verbrecher. Auf den Turmzinnen erwarten Geier ihr Mahl, das ihnen gemäß parsischem Ritus zukommt.
Nun zur anderen Seite, zum Osten der Stadt. Hier herrscht der Landvogt, ein Demagoge und Technokrat, der seine Macht mittels Propaganda und Masse, mittels Polizei und Terror gewinnt. Sein Hauptsitz ist das Zentralamt, ein sternenförmiger Bunker, dessen größter Teil unter der Erde liegt. Daran schließt sich in Richtung des prokonsularischen Palasts ein ödes Gelände an; eigentlich als Schussfeld gedacht, später nützlich für eine Internierung von Parsen. Zur Stadt hin grenzt an das Zentralamt der Gerberplatz, ein bevorzugter Anlaufort niederen Volks. Über die Lange Straße ist er geradewegs mit dem Rondell des Binnenhafens verbunden.


Die gesamte Neustadt wurde auf durch den Krieg verheertem Stadtgebiet errichtet, und zwar planmäßig, rechtwinklig, modern. Allerdings künden noch fünf Wolkenkratzer aus grünem Stahlglas von der Vorkriegs-Zivilisation; ihre oberen Geschosse blähten sich während der Luftschläge unter der Hitze. Inmitten verrufener Viertel liegt der Große Hafen. Daran grenzt das Rote Kap, ebenfalls zwielichtig; in der Hydrobiologischen Station wird eine technokratische Wissenschaft getrieben, die wenig Achtung vor dem Leben erkennen lässt. Auf Castelmarino, einer Kerkerinsel, wird diese Geisteshaltung zum Äußersten getrieben: Wer als Gefangener ins Casteletto eingeht, gilt als dem Tode verfallen. Unter diesen erwartet das schlimmste Schicksal vielleicht alle, deren Weg weiter ins Toxikologische Institut mit seinen Pilzgärten führt, wo mit Tod und Leben experimentiert wird.


Soviel zu den Territorien von Prokonsul und Landvogt. Einige weitere Institutionen und Landschaftsmerkmale stehen außerhalb dieses Machtgefüges oder sind darin höchst uneindeutig verortet. Zunächst einmal die Mittelachse: Der Seeweg führt durch die Enge von Castelmarino an beiden Inseln vorüber und zwischen Weißem und Rotem Kap hindurch in den Golf von Heliopolis. Zwei „Spiegel“ schützen den Binnenhafen; Apparaturen, die einfahrende Schiffe sowohl durchleuchten als auch auslöschen können. In der Nähe liegt das Lotsenamt. An den Binnenhafen schließt sich ein Rondell mit rotem Obelisken; von dort aus führt eine breite Straße, der Corso, mitten durch die verfeindeten Hälften zu einem weiteren Rondell am nördlichen Ende des Bebauungsgebiets. Dort kann mittels einer Treppe der Domplatz erstiegen werden. Der Dom bildet den höchsten Punkt der Stadt. Überhöht wird er allerdings vom Gipfel des Pagos, wo inmitten des Immengartens die Klus eines Einsiedlers liegt: Pater Foelix, der dem Regenten eng verbunden ist und zu dem auch der Prokonsul Kontakt pflegt.


Außerdem ist der Pagos von ober- und unterirdischen Schluchtensystemen durchzogen, die nicht alle unter eindeutiger Kontrolle stehen. Dort liegen Industrien plutonischer Art verborgen, dort findet sich aber auch Campo Santo, ein Felskessel, in dem Kapellen und Felskirchen errichtet sind, die Zutritt in eine unterirdische Totenstadt gewähren. Zum Campo Santo führt Malpasso, eine tiefe, von Zypressen gesäumte Schlucht. Am Pagos befindet sich ferner das Aerodrom, ein Flugplatz.


Bei der Allée des Flamboyants, auf der Seite des Prokonsuls also, jedoch unabhängig von diesem, liegt der Sitz der Mauretania. Es handelt sich um einen geheimen Orden, dessen einziges Ziel der Machtgewinn ist. Unter dessen Kontrolle befinden sich Zentralarchiv (eine gigantische Informationssammlung) und Punktamt (das den Schlüssel zu dem im Zentralarchiv gelagerten Wissen birgt); beide sind auf dem Pagos verortet. Ebenfalls unter den Flammenbäumen befindet sich das Klubhaus des Orion; anarchische Waidmänner kommen hier zusammen.


So stellt sich die Ausgangssituation dar. Prokonsul und Landvogt vermeiden den offenen Konflikt, denn die Kräfteverhältnisse erscheinen ausgeglichen: dem Prokonsul gehorchen Adel und Militär, der Landvogt kontrolliert Pöbel und Polizei. Man beschränkt sich auf Provokation und verdeckte Nadelstiche. Dabei sucht der Prokonsul, die überkommene Ordnung zu erhalten, der Landvogt, sie zu unterminieren, um sein eigenes System zu installieren. Für dieses Ansinnen spielen die Parsen eine herausragende Rolle: Leicht lassen sich die plebejischen Massen gegen die Fremden aufbringen und zu Pogromen anleiten, die Chaos auf das Gebiet des Prokonsuls tragen. Eskalation und Exzesse künden sich an. In diese Lage geworfen ist die Hauptfigur des Romans, Lucius de Geer, ein Offizier des Prokonsuls. Lucius muss zusehends feststellen, dass unter den gegebenen Umständen Dienstpflicht und menschlicher Anstand unvereinbar erscheinen.

[zu erledigen: Hyperlinks zwischen Textmarkierung und Kartenposition]